Das gemeinsame Leben von Kindern, Erwachsenen und Tieren wird in vielen sozial- und schulpädagogischen Einrichtungen immer selbstverständlicher. Die Begriffe „Tiergestützte Pädagogik”, „Kynopädagogik”, „Lehrer auf vier Pfoten” oder „Co-Pädagoge Hund” lesen und hören wir in Fachkreisen immer häufiger.
Auch im Integrativen Kinderhaus “Maria Montessori” ist seit der Gründung des Hauses im Jahre 1994 dieses Thema aktuell, es wurde in den vergangenen Jahren immer weiter ausgebaut. Wir gehen in unregelmäßigen Abständen mit den Kindern zum Ponyreiten, wir versorgen gemeinsam die Fische im Aquarium, das beachtliche Maße hat und wir haben einen „Kinderhaushund”.
Seit mittlerweile 8 Jahren ist jeden Tag mein eigener Hund mit im Kinderhaus. Zuerst war „Lenny” da. „Lenny” war ein großartiger, freundlicher und sehr kinderlieber Golden Retriever. Insgesamt besuchte er mit mir 6 Jahre lang jeden Tag das Kinderhaus. Viele Kinder schlossen eine innige Freundschaft mit ihm, er liebte die Wanderungen und mehrtätigen Exkursionen, an denen er immer teilnehmen durfte.
Wir erinnern uns alle gerne an ihn.
Beim Zusammenleben von Tieren und Menschen kann das Thema „Tod” nicht ausgeklammert werden. Im März 2011 wurde „Lenny” in unmittelbarer Nähe des Kinderhauses überfahren. Es war ein schrecklicher Tag für die Kinder, die Erzieherinnen, die Eltern, für mich und meine Familie.
Nach wenigen Monaten war uns allen klar, dass die Kinder und wir selbst wieder einen „Kinderhaushund” wollten. Und so entwickelte sich der Gedanke immer weiter, bis im Juni 2011 „Anton” eingezogen ist.
Anton ist ein Landseer-Rüde, im März wird er zwei Jahre alt. Täglich darf er mich zur Arbeit begleiten. Die ersten zwei Stunden verbringt er in seinem Korb und im Flur auf seiner Decke. Er döst noch oder schläft ein wenig und freut sich, wenn er die Ankunft der ersten Kinder und Eltern um 7 Uhr bemerkt.
Zuerst begrüßen die Kinder mich, dann verabschieden sie sich von ihren Eltern und danach dürfen sie Anton mit einem „Leckerli” begrüßen. Er bleibt dabei auf seiner Decke liegen, wedelt freudig und wartet ab, wer als nächster kommen wird.
Nach dem Frühstück starten 10 Kinder, eine Erzieherin und ich mit Anton zum Spaziergang. Eine Stunde lang wandern wir durch den Wald, beobachten Anton, entdecken Spuren anderer Tiere, treffen unsere „Hundekumpels”, genießen die Stille des Morgens, beobachten den Sonnenaufgang oder wir lassen uns den Wind um die Nase wehen und die Regentropfen auf den Kopf fallen.
Die Kinder und Anton erlernen durch uns Erzieherinnen „ganz nebenbei” die Körpersprache des Hundes kennen, sie lernen seine Signale zu verstehen und üben ihr eignes Verhalten in Bezug auf ihn ein – es ist ein wunderbares Miteinander. Nach etwa 30 Minuten geht Anton spielen und rennen, mit oder ohne Kinder, das ist jeden Tag unterschiedlich.
Wir erleben die Natur zu jeder Jahreszeit und beobachten „unseren Apfelbaum”, „unsere Sonnenblume”, „unsere Mauseloch”. Wir entdecken die ersten Zeichen des Frühlings, wir schwitzen im Sommer schon frühmorgens und lieben es, als erste durch den Schnee zu stapfen und Spuren zu hinterlassen.
Nach der Rückkehr ins Kinderhaus darf Anton in seinem Hundegarten fressen und danach schläft er mindestens 3 Stunden an seinem Platz – alle wissen, „Anton darf beim Schlafen nicht gestört werden”.
Die Kinder gehen anschließend ihrer Arbeit nach. Gegen 12 Uhr, also nach dem Mittagessen ist Spielzeit mit Anton. Anton ist gut ausgeschlafen, die Kinder gesättigt. Es treffen sich wieder etwa 10 Kinder, eine Erzieherin und ich im Spielzimmer.
Wir üben gemeinsam die Regeln des Zusammenspielens von Mensch und Hund ein.
Anton zeigt, dass er alle Grundkommandos beherrscht, die Kinder üben mit meiner Hilfe mit ihm kleine Kunststücke und Tricks ein. Wir tanzen und musizieren für Anton, er übt still und beobachtend liegen zu bleiben. An manchen Tagen bürsten wir ihn gemeinsam und bewundern sein wunderbar weiches und seidiges Fell, an anderen Tagen bereiten wir für ihn Suchspiele vor.
Mehrmals die Woche treffen wir uns mit den Kindern und Anton zusätzlich mit bekannten Hundebesitzern und ihren Vierbeinern, um Spaziergänge zu unternehmen. Oft sind dies Kinderhauseltern, die sich über unsere gemeinsamen Aktionen freuen. Die Kinder lernen hierbei das Spielverhalten von Hunden untereinander kennen.
Zweimal im Jahr fahren wir mit den Kindern zu den Erlebnistagen – Anton begleitet uns selbstverständlich, mittlerweile trägt er seinen Rucksack mit seinem Wasservorrat selbst.
Soziale Kompetenz erhalten alle Kinder u.a. durch die richtige Einschätzung von sich selbst, von Situationen, von anderen Menschen, von Tieren, von Begebenheiten und Abläufen.
Das Leben mit einem Tier, das treuer Begleiter und Freund ist, bedeutet Verantwortung zu übernehmen. Die Chance erhalten alle Kinder des Kinderhauses auf vielfältige Art und Weise, auch durch das Zusammenleben mit Anton.